5. Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi -
quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.


Jeder kennt wahrscheinlich die Geschichte von dem Mann, der im Traum am Meer entlanggeht. Ihm erscheinen Bilder seines Lebens, in denen er immer zwei Fußspuren sieht: Die Eigenen und die seines Herrn. Doch genau in den schwersten Zeiten des Lebens ist immer nur eine Fußspur zu sehen. Der Mann stellt seinen Herrn zur Rede, da dieser einst versprach, auf allen Wegen bei ihm zu sein und es nun augenscheinlich auf den Beschwerlichen nicht war. Die simple Antwort des Herrn lautet: "In diesen Zeiten habe ich dich getragen!"

Stellen wir uns doch einmal vor, daß Jesus – geschwächt, durstig, voller Schmerzen – sich auf dem Weg nach Golgotha umdreht und plötzlich nicht nur seine eigenen Fußspuren sieht, sondern auch noch die eines anderen Menschen. Stellen wir uns vor, daß er aufblickt und einen Mann sieht und ihn fragt: "Was war denn da?" Der Mann antwortet – vielleicht ein wenig verlegen, vielleicht ein wenig mitleidig, vielleicht auch ein klitzekleines bißchen stolz: "Och ... Da habe ich dir ein wenig geholfen, das Kreuz zu tragen ..."

"Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig". So lesen wir es im Heiligen Evangelium nach Matthäus (10,38)

Was aber ist unser Kreuz? Unser Kreuz – so schreibt es der Heilige Hilarius – ist das Kreuz des Herrn. Denn in diesem Kreuz leiden und sterben wir mit, werden wir mitbegraben und erstehen wir mit Christus wieder auf: "Und wer nicht dem Herrn nachgefolgt ist, indem er sein Kreuz, in dem wir mitleiden, mitsterben, mitbegraben werden, mitauferstehen, annimmt, um durch dieses Sakrament des Glaubens in der neuen Wirklichkeit des Geistes zu leben, der ist Christi nicht würdig".

Was aber ist das Kreuz des Herrn? Das Kreuz des Herrn ist mild und leicht, wie er es selbst verspricht: "Denn mein Joch ist mild und meine Last ist leicht". Dies sagt er übrigens schon ein Kapitel, nachdem er zum Tragen des Kreuzes aufgefordert hat (Mt 11,30).

In diesen zwei Kapiteln steht vieles von dem, was wir über unser Kreuz und Christi Kreuz und die Beziehung zwischen den beiden wissen müssen: Ja, wir sind aufgefordert, das Kreuz zu tragen. Wir sind aufgefordert, Sein Kreuz zu tragen. Wir sind aufgefordert, wie Simon von Cyrene, wenigstens einige Schritte mit Ihm zu machen und an Seinem Kreuz mitzuschleppen. Und dies ist keine Aufgabe, die uns überfordert. Warum? Weil im Kreuz das Heil ist. Und weil die Last leicht ist. Warum ist sie leicht? Weil in dem Moment, wo wir uns der Härte des Lebens und den schwierigen Zeiten ergeben und das Kreuz annehmen, Christus uns schon längst – wie den Mann am Strand – auf seinen Händen trägt, mit der Liebe zu seinen Geschöpfen, mit der Hoffnung auf das Ewige Leben und mit dem Glauben an die Wahrheit, die er ist.

Simon von Cyrene wurde gezwungen, dem schwachen Jesus das Kreuz tragen zu helfen. Hätte er es auch ohne Zwang getan, nur aus Mitleid? Ich möchte gerne glauben, daß es so ist. Jesus jedenfalls nahm ihn für eine kurze Strecke als Weggefährten an. Und Er möchte auch uns auf diese Art annehmen.

Durch die Jahrhunderte hindurch klingt der Satz beinahe schon nicht mehr wie eine Aufforderung, sondern wie eine Einladung: "Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach". Ganz ohne Zwang. Einfach, weil du es willst, weil du es als richtig erkennst. Weil du tagtäglich die Gelegenheit hast, einem der Geringsten für einige Schritte das Kreuz zu tragen und es somit für Christus trägst. Weil du immer wieder selbst vor deinem eigenen Kreuz stehst und oft genug zweifelst, ob es denn wirklich sinnvoll ist, es aufzunehmen.

Ja, das ist es!

Kann irgendwer sich an die Stelle in der Heiligen Schrift erinnern, in welcher es heißt: Jesus blickte das Kreuz an uns sprach: "Nö! Das sieht schwer aus. Das trage ich nicht ..."?

Eben!

Hätte Jesus das Kreuz nicht auf sich genommen, wären wir heute nicht erlöst. Es ist wohl nicht zuviel verlangt, es dem Herrn nachzutun und zum eigenen Kreuz "Ja" zu sagen, wenn es natürlich auch schwer fällt. Schließlich ist auch der Satz "Hui! Das macht aber Spaß!" von einem sich unter dem Kreuze beugenden Jesus nicht überliefert.

Es geht nicht um Spaß, es geht nicht um Masochismus. Es geht um die Nachfolge.

"Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach".

Mein Jesus -

Gib, daß mein schwaches Fleisch sich meinem willigen Geiste anschließen möge und ich nicht davor zurückschrecken werde, mein Kreuz auf mich zu nehmen und dir nachzufolgen, wenn die Zeit gekommen ist. Gib mir auch offene Augen und einen wachen Geist, daß ich erkenne, wo ich anderen ein Gehilfe und Gefährte sein kann, wenn sie ein Kreuz tragen, das zu schwer scheint. Dein Weg ist der richtige Weg. Deine Fußspuren sind die, denen ich folgen möchte, damit ich einst zu dir gelange in das ewige Leben. Amen